8. Ausgabe - August 2009

Scheiden - Maat

Editorial

Liebe LeserInnen,

„Scheiden“ – Das klingt nach Abschied. So ist es auch gemeint. Wir trennen uns. Wir nehmen Abschied. Wir räumen auf. Die profitorientierte Männerherrschaft hat abgewirtschaftet. Die Zahlen sprechen für sich (Kerstin Pilop/Christa Köpp-Blodau). Das „Scheitern der Moderne“ (Claudia von Werlhof) ist mehr als „eine Krise“. Es ist das Ende eines Gewaltsystems, dessen Grundlage „die permanente Beraubung der Frauen“ als „Hausfrauen“ war und in den letzten Jahren zunehmend auch der Männer, ganz zu schweigen von der Versklavung der indigenen Völker und vom Raubbau an der Erde.
Das Thema „Scheiden“ lässt uns nicht in der Zuschauerin-Rolle. Es betrifft uns Frauen auch nicht nur als Opfer. Es betrifft uns in einem reichen westlichen Land, weil auch wir nicht von der Klimakatastrophe verschont bleiben. Es betrifft uns, weil auch bei uns Menschen immer ärmer werden. Vor allem betrifft es uns, weil wir nicht weitermachen können wie bisher.
Scheiden bedeutet Entscheidung: „Jeder Abschied ist ein kleiner Tod“ (KaraMa Beran). Das Nein-sagen, das Loslassen kann und muss geübt werden, auch wenn uns das bei einigen die Sympathien kostet. Ohne den Schnitt gibt es keine Ernte, ohne den Abschied vom Patriarchismus kein Leben. „Das stetige Anhäufen von materiellen Dingen ist vorbei“, sagt Vandana Shiva und sieht darin eine Herausforderung zur Neuorientierung: Welches Leben wollen wir denn? Unser Konsumverhalten ist eingebunden in das Ausbeutersystem. Es „hat unseren Alltag, unsere Bedürfnisse und Gewohnheiten durchdrungen und hat seine Brückenköpfe in jeder und jedem errichtet“ (Maria Mies). In der „Befreiung vom Konsum“ liegt unsere Chance, den tödlichen Wachstumszwang zu beenden und „aus dieser armseligen, würdelosen Mangelgesellschaft“ auszusteigen. Die „kommunizierende Gemeinschaft mit allem Lebendigen auf der Erde“ fordert uns zur Konfliktfähigkeit heraus – eine Grundbedingung für den Frieden (Erika Drees).  Wir brauchen in der Politik dringend Menschen mit der „Fähigkeit des Bemutterns“. Denn: „Kein Machtkampf der Welt kann so wichtig sein wie das Leben“ (Kirsten Armbruster).
Uns erreicht die Stimme der „pachamama“ aus Bolivien, eine Botschaft von Evo Morales, die uns in Form von 10 Geboten Gemeinsamkeit und Wegweisung anbietet. Barbara Degen erinnert uns daran, dass Recht und Balance von Urzeiten an Sache der Frauen war. „Die weibliche Schöpfungsfähigkeit und Rechtsetzungsmacht“ versinnbildlicht die Waage, die nach Christine de Pizan „mit Wertschätzung und Liebe“ gefüllt werden muss, um wieder in die Balance zu kommen. Das Vergessen-machen und Unterdrücken funktioniert nicht mehr. Als unseres Selbst bewusste Frauen wissen wir, dass „der Schlüssel der Erleuchtung“ (Dagmar Margotsdotter-Fricke) zwar ein wohlgehütetes Geheimnis ist, aber zugleich auch die Wahrheit über unsere Lebens- und Liebesmacht. Das „Lied der Inanna“ (Kerstin Pilop) singt davon und berührt den Schmerz unserer Seele. - Schneiden ist auch Liebe. -  Wir nehmen das Amt der Schnitterin wahr und schneiden ab, was wuchert. Wir erheben unsere Sicheln und schaffen neuen Raum zum Leben.
Scheiden heißt Sich-trennen. Und Scheiden bedeutet zugleich Sich-verbinden. Wir verbinden uns mit unseren Schwestern und Brüdern, die vor uns für ein besseres- für ein gutes Leben gekämpft haben. Dankbar halten wir inne und machen uns bewusst, was uns alles geschenkt wurde und wird. Jetzt ist die Zeit der Entscheidung! Wir verbinden uns wieder mit den unterdrückten Völkern und ihrer alten Weisheit. Wir entscheiden uns für eine andere Art des Lebens mit unseren Mitwesen, den Tieren und Pflanzen. Wir verbinden uns wieder mit unserer Mutter Erde und ehren ihren Jahreskreislauf, von dem wir leben. Wir verbinden uns mit der Göttin Maát, mit der lebendigen Göttin, die uns  die Fürsorge für alles Lebendige anvertraut.

Krista Köpp


Inhaltsverzeichnis

6 Jetzt ist Schluss! Es reicht! Kerstin Pilop/ Krista Köpp-Blodau

11 Die Bestohlenen werden sich erheben
Spiegel-ONLINE im Gespräch mit Vandana Shiva

14 Befreiung vom Konsum Maria Mies

19 Patriarchale „Schöpfung" als Zerstörung Claudia von Werthof

22 zehn Gebote zur Rettung der Erde Evo Morales Ayma

26 Waage und Schwert in Frauenhand Barbara Degen

30 Was spricht Matt? Kirsten Armbruster

33 Sind wir friedensfähig? Erika Drees

35 Jeder Abschied ist ein kleiner Tod KaraMa Beran

37 Es geht um alles Dagmar Margotsdotter-Fricke

44 Venus vom Hohle Fels

Matriamondabend

46 Lied der Inanna, Teil 2 Kerstin Pilop

50 Jahresrad: Schnitterin KaraMa Beran

54 Die Kräuterfee Marita Akaja Zadra Marie-Luise Stiawa

56 Buchbesprechungen

58 GODEWEG: Der Ritenberg Kirsten Armbruster

61 GodeNetzwerk

62 Vorankündigung

63 G.I.a.n.z.s.t.ü.c.k.e

66 Resonanzen

70 Matri-Netz

72 Impressum